Hast du schon einmal beobachtet, dass dein Kind (oder du selbst) oft unkoordiniert wirkt, eine schlechte Haltung hat oder ständig irgendwo anstößt? Vielleicht fällt es schwer, Entfernungen richtig einzuschätzen, oder es entsteht ein unangenehmes Gefühl von Unsicherheit, sobald sich der Körper bewegt – bis hin zu Höhenangst oder Reiseübelkeit?
Diese Herausforderungen werden oft als „ungeschickt“, „haltungsfaul“ oder „chaotisch“ abgetan. Doch was, wenn dahinter ein frühkindlicher Reflex steckt, der nie vollständig integriert wurde?
Ein aktiver Tonischer Labyrinthreflex (TLR) kann genau solche Schwierigkeiten verursachen. Doch was macht dieser Reflex eigentlich – und warum beeinflusst er unser Körpergefühl so stark?
Was ist der TLR und welche Rolle spielt er?
Der Tonische Labyrinthreflex (TLR) entwickelt sich bereits im Mutterleib und spielt eine entscheidende Rolle in der Anpassung an die Schwerkraft nach der Geburt.
Seine Hauptaufgabe ist es, dem Baby zu helfen, seine Körperhaltung, Muskelspannung und Bewegungen an die Umgebung anzupassen. Ohne den TLR wäre es unmöglich, die grundlegenden motorischen Fähigkeiten zu entwickeln, die später für aufrechtes Sitzen, Laufen und gezielte Bewegungen notwendig sind.
Ein wichtiger Schritt in der frühkindlichen Entwicklung ist es, die Bewegungen des Kopfes von der restlichen Körpermuskulatur abzukoppeln. Das bedeutet: Ich kann mich drehen, bücken oder aufrichten, ohne dass mein ganzer Körper unkontrolliert mitzieht.
Doch wenn dieser Reflex nicht vollständig integriert wird, bleibt das Nervensystem in einem Spannungszustand gefangen – und das kann massive Auswirkungen haben.
Wie zeigt sich ein aktiver TLR?
Ein nicht integrierter Tonischer Labyrinthreflex kann den gesamten Körper beeinflussen. Viele Symptome fallen im Alltag auf – aber oft ohne, dass man sie mit einem frühkindlichen Reflex in Verbindung bringt.
1. Muskelspannung & Haltung
✔ Niedriger Muskeltonus – das Kind wirkt oft „schlapp“ oder hat eine instabile Haltung
✔ Probleme, aufrecht zu sitzen oder gerade zu stehen – Haltungsschwächen oder Rundrücken
✔ Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich – durch unbewusste Dauerspannung
✔ Geht auf Zehen oder Fersen – oft verbunden mit Problemen der Achillessehne
2. Koordination & Körperwahrnehmung
✔ Schwierigkeiten, Raum, Entfernung oder Tiefe richtig einzuschätzen
✔ Unkoordinierte Bewegungen, besonders beim Sport – wirkt unsicher oder unbeholfen
✔ Probleme mit Gleichgewicht – häufiges Stolpern, wacklig beim Rennen oder Radfahren
✔ Stößt oft an Möbel oder Menschen an – wirkt „chaotisch“ in seinen Bewegungen
3. Orientierung & Wahrnehmung
✔ Schwierigkeiten mit räumlicher Orientierung – findet sich in neuen Umgebungen schwer zurecht
✔ Höhenangst oder Unsicherheit bei unebenen Flächen
✔ Neigung zu Reiseübelkeit oder Schwindelgefühlen bei schnellen Bewegungen
4. Alltag & Verhalten
✔ Wirkt oft unordentlich oder chaotisch – Schwierigkeiten, Dinge strukturiert zu organisieren
✔ Hat Probleme, längere Zeit still zu sitzen – ständige Unruhe oder Bewegungsdrang
✔ Fühlt sich in neuen Räumen oder ungewohnten Situationen schnell überfordert
Warum ist das wichtig?
Viele dieser Symptome werden oft falsch eingeordnet – als „schlechte Haltung“, „Schusseligkeit“ oder „mangelnde Konzentration“. Dabei steckt oft ein nicht verarbeiteter Reflex dahinter, der den Körper unbewusst steuert.
Ein Kind mit aktivem TLR kann nicht einfach „aufrechter sitzen“ oder „vorsichtiger laufen“, weil das Nervensystem nicht die nötige Stabilität liefert. Das Verhalten ist keine bewusste Entscheidung – der Körper kann gar nicht anders reagieren.
Und genau deshalb ist es so wichtig, diesen Reflex zu erkennen.
Die gute Nachricht: Der TLR kann nachträglich integriert werden!
Unser Nervensystem ist plastisch – das bedeutet, es kann lernen und sich anpassen, auch noch Jahre später.
Viele Menschen spüren eine enorme Erleichterung, wenn sie den Reflex gezielt ansprechen. Das kann sich äußern durch:
✔ Mehr Körperspannung & bessere Haltung
✔ Verbesserte Koordination & Raumwahrnehmung
✔ Weniger Verspannungen & Unwohlsein bei Bewegung
✔ Mehr innere Ruhe & weniger Unruhegefühl
Fazit: Warum dein Körper mehr kann, als du denkst
Der TLR ist ein Reflex, den wir alle einmal hatten – doch wenn er nicht vollständig integriert wurde, beeinflusst er uns unbewusst jeden Tag.
Haltung, Koordination, Orientierung – all das hängt stark mit unserer Fähigkeit zusammen, die Schwerkraft korrekt wahrzunehmen. Und genau das reguliert der TLR.
Wenn du das Gefühl hast, dass dein Kind (oder du selbst) immer wieder mit diesen Herausforderungen kämpft, dann lohnt es sich, genauer hinzusehen.
Hast du Fragen oder möchtest du mehr wissen? Schreib mir gerne!
In den nächsten Blogartikeln erkläre ich dir weitere Reflexe, die unser Nervensystem beeinflussen – und wie gezielte Übungen helfen können, mehr innere und äußere Stabilität zu gewinnen.
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